Wer sich ein Jungtier zulegt, steht irgendwann vor der Frage “Kastration – ja oder nein?”. Die Frage wird immer wieder kontrovers diskutiert. Allerdings kommt es darauf an, was für ein Tier man hat und in welchem Umfeld dieses lebt.
Was heißt eigentlich Kastration?
Unter Kastration versteht man das Entfernen der Keimdrüsen eines Lebewesens oder deren Inaktivierung , das heißt in der Regel die Entfernung der Eierstöcke beim weiblichen und der Hoden beim männlichen Tier. Dies führt dann zur Unfruchtbarkeit. Gelegentlich spricht man auch von einer “chemischen Kastration”, wenn durch die Gabe von Medikamenten die Hormonproduktion unterdrückt wird. Wenn das Medikament abgebaut ist und nicht weiterwirkt, ist dieser Effekt wieder aufgehoben. Das wird manchmal bei Rüden testweise gemacht, wenn man sehen will, ob eine Kastration einen gesundheitlichen Vorteil bringen würde (z. B. im Hinblick auf Verhaltensproblematiken oder Prostataprobleme).
Verwechselt wird der Begriff manchmal mit dem der Sterilisation. Hierbei bindet man die Samenleiter oder die Eileiter ab, so dass der Transport von Spermien oder Eiern unterbunden wird. Die Keimdrüsen selbst, also Hoden oder Eierstöcke, bleiben intakt, und es werden weiterhin die entsprechenden Hormone produziert. Damit bleibt auch das Zyklusgeschehen und das Sexualverhalten erhalten, es kann aber nicht mehr zu einer Befruchtung kommen.
Rechtliche Lage
Grundsätzlich verbietet das Tierschutzgesetz das Amputieren von Körperteilen und das Entnehmen oder Zerstören von Organen und Geweben eines Wirbeltiers. Zu dieser Regelung sind allerdings einige Ausnahmen definiert, darunter die tierärztliche Indikation und auch eine Unfruchtbarmachung “zur Verhinderung der unkontrollierten Fortpflanzung oder – soweit tierärztliche Bedenken nicht entgegenstehen – zur weiteren Nutzung oder Haltung des Tieres” (TierSchG § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5). Rechtliche Ausführungen machen aber deutlich, dass diese Ausnahmen genauer betrachtet werden müssen. So kann man davon ausgehen, dass es in der Hundehaltung die unkontrollierter Fortpflanzung hierzulande nicht gibt, da der Mensch Maßnahmen zur Kontrolle ergreifen kann. Anders wird dies bei Katzen gesehen, da der Mensch bei Freigängern keine Möglichkeit der Kontrolle hat. Was die “weitere Nutzung und Haltung” angeht, ist diese Ausnahmeregelung eher mit Blick auf die Nutztierhaltung formuliert. Insbesondere in der Hundehaltung ist die Kastration also nur in wenigen Fällen erlaubt.
Einfluss auf die Körperfunktionen
Die Entfernung der Keimdrüsen hat einen immensen Effekt auf die Körperfunktionen, da die Geschlechtshormone mit verschiedenen anderen Hormonen und Organen zusammenwirken. Besonders auffällig ist der Effekt, wenn die Kastration schon vor der Geschlechtsreife vorgenommen wird. Die Tiere bleiben “kindlicher”, der Organismus reift nicht voll aus. Da sich die Wachstumsfugen der Knochen später schließen, wachsen die Tiere länger und werden damit größer.
Weitgehend bekannt ist das Problem der Gewichtszunahme durch die Kastration, was insbesondere bei Katzen deutliche Auswirkungen zeigt. Hier ist es wichtig, auf deutliche reduzierte Kalorienzufuhr und ausreichend Bewegung zu achten, damit es nicht zu Folgeerkrankungen kommt. Oft treten auch – insbesondere bei langhaarigen Tieren – Fellveränderungen auf (vermehrte Bildung von Unterwolle, sog. “Babyfell”).
Weitere gesundheitliche Risiken können eine erhöhtes Risiko für Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) bei Katern und Hunderüden und ein erhöhtes Auftreten bestimmter Tumoren sein. Tierarzt Ralph Rückert schrieb dazu:
Insgesamt wird die erhöhte Anfälligkeit für Tumorerkrankungen aktuell mit einer durch den Wegfall der Geschlechtshormone zusammenhängenden Beeinträchtigung des Immunsystems in Zusammenhang gebracht. Dafür spricht auch, dass bei kastrierten Hunden offenbar sogar eine höhere Infektanfälligkeit nachzuweisen ist.
Beim Hund tritt bei kastrierten Tieren auch häufiger eine Hüftgelenksdysplasie auf (insbesondere bei Frühkastration), auch Kreuzbandrisse kommen häufiger vor. Die Schilddrüsenunterfunktion sieht man ebenfalls eher bei kastrierten Tieren. Häufig wird bei der Hündin ein besserer Schutz vor Mammatumoren als Kastrationsgrund angeführt. Mehr dazu finden Sie im folgenden Beitrag “Hunde kastrieren – ja oder nein?”. Auch eine Vermeidung der gefürchteten Gebärmutterentzündung (Pyometra) wird als günstiger Effekt der Kastration betrachtet.
Kastration und Verhalten
Ganz wesentlich ist der Einfluss der Geschlechtshormone auf die Entwicklung der Tiere, insbesondere die psychische Stabilität und das Sozialverhalten. Hier kann es durch Kastration, insbesondere wenn sie vor dem Einfluss der Geschlechtsreife bzw. vor dem Abschluss der Pubertät geschieht, zu Störungen kommen. Positiven Einfluss auf Verhaltensstörungen kann eine Kastration nur dann haben, wenn die Verhaltensprobleme im Rahmen des Zyklus bzw. gesteuert durch Sexualhormone auftreten. Bei den allermeisten Verhaltensproblemen ist dies nicht der Fall. So kann beispielsweise Aggression auf diesem Weg lediglich beeinflusst werden, wenn sie mit Rangordnung oder Status bzw. der Verteidigung von Sexualpartnern zu tun hat. Häufig haben aber andere Hormone wie Cortisol, Prolaktin oder Vasopressin Einfluss auf bestimmte Verhaltensausprägungen. In diesem Fall kann sich die Kastration des Tiers eher nachteilig auswirken, weil die hemmende Funktion der Sexualhormone dadurch wegfällt. Ausführliche Erläuterungen dazu mit Blick auf den Hund finden sich in dem Artikel “Kastration aus verhaltensbiologischer Sicht” von Sophie Strodtbeck und Udo Gansloßer.
Lesen Sie in Teil 2: Hunde kastrieren – ja oder nein? und in Teil 3: Wie ist es bei Katzen?